Mit einem Festprogramm feiert die Ludwigsburger Akademie diese Wochen ihren runden Geburtstag. Sie hat dazu allen Grund: dank der innovativen und breit aufgestellten Ausbildung an dieser Hochschule hat sie entscheidend zur Aufbruch des deutschen Films zu neuen Ufern beigetragen. Der „Hollywood Reporter“ hat Ludwigsburg kürzlich zu den zehn wichtigsten Filmschulen weltweit gezählt…
Beinahe wie ein Wunder mutet heute die Gründung der Filmakademie an – ausgerechnet in Ludwigsburg! Eine eher triste Garnisonsstadt mit Barockschloss und einer autobahnähnlichen Bundesstraße mitten durch, die nicht unbedingt zum Charme der beiträgt. Immerhin beherbergt Ludwigsburg das Lieblingskino („Zentral“) des letzten württembergischen Königs. Aber damit hatte sich auch die historische Filmaffinität.
Die Landeshauptstadt hatte das Angebot weit von sich gewiesen, Standort einer Filmhochschule zu werden. Im Stuttgarter Rathaus hörte man bereits die Spötter über das „Hollywoodle am Nesenbach“ herziehen. Sollte sich bitteschön Ludwigsburg blamieren.
Doch da war Albrecht Ade vor: der filmbegeisterte Professor an der Stuttgarter Kunstakademie war bereits seit Langem dabei, mit seinen Studenten mit dem Animationsfilm neue Möglichkeiten des künstlerischen Ausdrucks auszuprobieren.
Zu diesem Zeitpunkt war in Westdeutschland „Trickfilm“ein eher unterentwickelter Zweig des Filmschaffens. In einer Welt, in der die Firma Disney allein den Trickfilm verkörperte. Ein paar Experten dachten in diesem Zusammenhang bestenfalls noch an Wolfgang Urchs und den Tschechen Jan Lenica.
Ade begann mit der Gründung eines „Trickfilmfestivals“ in ganz bescheidenem Rahmen ein öffentliches Forum für die Arbeiten in seiner Abteilung zu schaffen. Ab 1981 nannte es sich „International“ und fand öffentliche Resonanz.
In den nächsten Jahren kam dann Eines zum Anderen – der Bedarf einer etwas anderen Ausbildung des cineastischen Nachwuchses als an den etablierten Filmschulen in München und West-Berlin (Babelsberg lag weit entfernt hinter der Mauer) war nicht zu übersehen.
Die Aussicht auf die Erschließung eines neuen Dienstleistungssektors in einer „Medienregion Mittlerer Neckar“ ließ im Staatsministerium aufhorchen, zumal es in der marktführenden Automobilindustrie zu kriseln begann.
Albrecht Ade fand in Klaus Bessey in der Administration der Landesregierung einen Mitstreiter. Nachdem Stuttgart ab gewunken hatte, wurden die Gründer einer „Filmakademie Baden-Württemberg“ in Ludwigsburg 1991 mit Offenen Armen aufgenommen.
Als Areal für den Campus bot sich – jetzt nach der „Wende“ – eine der zahlreichen ehemaligen Kasernen an, deren stattliche Backsteingebäude auf eine neue Nutzung warteten.
Und so kam es, das Ludwigsburg ehe es sich versah zur Filmstadt wurde: aus der Akademie gingen Talente gleich nach Hollywood. Zum Beispiel Volker Engel, einer der Assistenten der ersten Stunde: 1994 bekam er den Oscar für Visual Effekts, die mit Unterstützung von Ludwigsburger Studenten für „Independence Day“ des Sindelfinger Hollywoodimports Roland Emmerich geschaffen hatte.
Die Erfolgsgeschichte setzte sich bis heute fort: Das Jubiläums-Jahr 2011 begann für die Filmakademie Baden-Württemberg vielversprechend: zwei Deutsche Filmpreise und weitere Auszeichnungen für Florian Cossens Diplomfilm „Das Lied in mir“, der anschließend auch im Kino mit Erfolg gezeigt wurde. Dann brachten es die Akademie-Absolventen Jakob Schuh und Max Lang mit ihrer Verfilmung des Bilderbuchs vom „Grüffelo“ sogar zu einer Oscar-Nominierung. Und auch einer der erfolgreichsten TV-Events dieses Jahres „Hindenburg“ ist von ehemaligen Ludwigsburgstudenten realisiert worden: von der Produktion, über die Regie und die Spezialeffekte bis zur Redaktion von ehemaligen Ludwigsburgstudenten realisiert worden – für die Firma Teamworx von Nico Hofmann, dem Professor für „Szenischen Film“ an der Akademie und einer der Gründerväter der Filmschule.
Eines der Geheimnisse des Ludwigsburger Erfolgs ist die Praxisnähe einerseits und übersichtliche Campus anderseits. Hier wird konzentriert gelehrt, gelernt und zwangsläufig im Team gearbeitet. Dabei steht den Studenten ein Lehrkörper zur Seite, der selbst in der Film-branche geerdet ist – u. a. mit Christian Wagner, Peter Sehr, Niko Hofmann und natürlich dem Boss selbst: Thomas Schadt ist einer der wichtigsten Dokumentaristen des Landes. In seinem Beitrag in der Festschrift zum 20jährigen Jubiläum stellt Schadt programmatisch fest:
„…Was erwartet der Markt von Absolventen einer Filmschule? Eines mit Sicherheit nicht, nämlich dass sie in der Lage sind, die Dinge genauso zu machen, wie sie in den Sendeanstalten, Produktions-häusern oder Agenturen von Haus aus schon gemacht werden. Dann sagen die Auftraggeber zu Recht: ‚Das ist alles? Das können wir schon lange und machen es dazu noch schneller. Also machen wir es selbst. Auf Wiedersehen.‘ Der Markt erwartet von einem Filmstudenten nicht, dass er eins zu eins reproduzieren kann, was gängig ist. Er erwartet mehr: eine neue Idee, eine unverbrauchte Ästhetik, Mut, Risiko, ein Patent, eine unerwartete Qualität, die über das Alltägliche hinausweist. Der Markt will, gibt er Absolventen eine Chance, in seine Zukunft zu investieren, nicht in das Einerlei der Gegenwart!“
Mit der Filmakademie ist auch Ludwigsburg selbst aus „dem Einerlei der Gegenwart“ getreten. Jenseits von B 27 und Blühendem Barock entwickelte die Stadt unerwarteten urbanen Charme – und bekam 3000 neue Arbeitsplätze.
Deshalb wurden gestern Abend bei der Jubiläumsgala in der „Musikhalle“ die vielfältige Entwicklung und Inspirationen durch Film-akademie gepriesen mit viel schönen Reden. Dabei wurde vielen WeggefährtenInnen gedankt und Meriten verteilt. Recht so!
Dabei fiel dem Zeitzeugen jedoch auf, dass ein Name fehlte: Der von Arthur Hofer, dem glücklosen ersten Nachfolger von Akademie-Gründer Albrecht Ade. Er hat das Amt 2001 übernommen und drei Jahre später auf mehr oder weniger eigenem Wunsch wieder abgegeben.
Eine Periode der Turbulenzen. Nach der Gründungsphase kam die Normalität und endgültige Selbstfindung. Eine schwierige Aufgabe für den „Sohn“, nachdem der Übervater in den Ruhestand gegangen war. Gleich zum Anfang verlies Thomas Haegele im Streit mit Hofer die Akademie, um dann vom Staatsministerium (Palmer/Bessey) wieder zurück geholt zu werden – mit der Zusage ein eigenes, weitgehend autarkes Institut unter dem Dach der Akademie ( Heute: „Institut für Animation, Visual Effects und digitale Postproduktion) gründen zu dürfen. Im Kreis der Praktiker setzte sich Nichtpraktiker Hofer unter den Argusaugen des StaMis schließlich zwischen alle Stühle… Also auch tragische Momente in der 20jährigen Akademie-Geschichte!
Zu erwähnen wäre auch das Abenteuer eines „Europäischen Filmfestivals“, an dem die Ludwigsburger Akademie nur indirekt beteiligt war: beflügelt vom Erfolg der Filmakademie wollten politisch verantwortliche Kreise in Stadt (Stuttgart!) und Land das Ganze mit einer Veranstaltung toppen, die mindestens Cannes-Niveau haben sollte.
Neben konzeptionellen und organisatorischen Untiefen gehörte zu den bizarren Blüten dieses Festivals u. a. die Verleihung eines „Europäischen Schauspielerpreises“ an die verwelkte italienische Diva Claudia Cardinale: die Dame reiste an, kassierte ihre 25 000 Mark Preisgeld und reiste wieder ab! Von Glamour keine Spur.
Rechtzeitig bevor die desaströsen Stuttgart/Ludwigsburger Filmfestspiele die aufkeimende Filmakademie und den Medienstandort ernsthaft in Mitleidenschaft zogen, sahen die Verantwortlichen von einer Weiterführung ab und stärkten dafür die Keimzelle des Baden-Württembergischen Filmwunders, das Stuttgarter „Trickfilmfestival“. Dank Thomas Haegele und seines Instituts stieg es kurzfristig ebenfalls zur Weltgeltung auf.
Albrecht Ade hat recht, wenn es gestern Abend in Ludwigsburg sagte, auch für die nächsten 20 Akademie-Jahre muss einem nicht Bange sein!
Zu 20 Jahre Filmakademie Baden-Württemberg ein Gespräch mit Thomas Schadt:
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