Deutschland/Österreich 2012
Regie: Christoph Stark
Mit Lars Eidinger, Peri Baumeister
Kinostart: 31. Mai 2012
Biographische Filme über mehr oder wichtige Persönlichkeiten der Vergangenheit erfreuen sich neuerdings großer Beliebtheit. Besonders dankbar sind Biographien, die dem Drehbuchautoren Freiraum für dichterische Freiheiten lassen. Zum Beispiel der expressionistische Lyriker Georg Trakl, der nur 27 Jahre altgeworden ist. Eine manisch-depressiver Charakter, der sich in seinen genial düsteren Gedichten immer wieder offen und verschlüsselt mit seiner Schwester Margarete beschäftigt. Vor allem das Gedicht „Blutschuld“ legt eine inzestuöse Beziehung zwischen Trakl und seiner Schwester nahe. Den Gedanken der Geschwisterliebe zwischen den Beiden haben Regisseur Christoph Stark und seine Drehbuchautorin Ursula Mauder in ihrem Film „Tabu – Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden“ aufgegriffen.
Wien um 1910: Der junge Georg Trakl, ein unsteter Geist aus gutbürgerlichem Hause studiert Pharmazie. Das kommt seinen Neigungen zum Drogenkonsum entgegen. Seine eigentliche Passion gilt aber der Dichtkunst. Renommierte Zeitschriften haben Gedichte von ihm gedruckt. Obwohl Trakl in der Wiener Boheme um die Künstler der Sezession – wie Oskar Kokoschka – zu Hause ist, kann er davon nicht leben. Er braucht den Brotberuf, der ihn in seiner banalen Alltagsroutine anödet.
Einmal depressiv, dann himmelhoch jauchzend: Georg Trakl versucht seinen extremen Gefühlsschwankungen mit seiner Lyrik beizu-kommen. Mit seiner Familie verbindet ihn ein angespanntes Verhältnis. Nur mit seiner Schwester Margarete tauscht er sich vertraulich aus…
Georg und Margarete kommen sich näher, als es unter Geschwistern üblich ist; das schlechte Gewissen nach dem vollzogenen Inzest versuchen die beiden mit Hilfe unterschiedlichster Drogen zu verdrängen. Georg Trakl schreibt darüber eines seiner berühmtesten Gedichte „Blutschuld“…
Regisseur Christoph Stark und seine Drehbuchautorin Ursula Mauder haben sich mit ihrem Georg Trakl-Film „Tabu – Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden“ auf ein schwieriges Terrain begeben. Das Georg und Margarete Trakl tatsächlich Sex mit einander hatten, ist eine gewagte Hypothese. Aus Gedichten wie „Blutschuld“ und „An die Schwester“ kann man vage den Schluss ziehen, das Bruder und Schwester nicht nur platonisch mit einander verkehrt haben. Auf der Leinwand wird daraus „bare Münze“…
Das der freie Umgang mit den historisch gesicherten Fakten bei „Tabu“ letztlich doch zu einem überzeugenden Psychogramm des genialen expressionistischen Dichters geführt hat, hängt auch mit der Besetzung der Hauptrollen zusammen. „Schaubühnen“-Star Lars Eidinger überzeugt in jedem Moment in der Verkörperung einer Borderline-Persönlichkeit, die Georg Trakl zweifellos war. Die Überraschung des Films ist aber die 24jährige Peri Baumeister als Margarete Trakl. Ihre erste Rolle nach der Schauspielschule weist sie als ganz großes Talent aus. Regisseur Stark gab Baumeister und Eidinger in „Tabu“ Spielraum im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei entstand ein Film, in dem Lyrik kein schmückendes Beiwerk, sondern integraler Teil der Handlung wurde. Das gelingt nur selten….