„Was braucht’s dir Denkmal! Du hast dir das herrlichste errichtet; und kümmert die Ameisen, die drum krabbeln, dein Name nichts, hast du gleiches Schicksal mit dem Baumeister, der Berge auftürmte in die Wolken.“ So rühmte Goethe das Straßburger Münster und seinen wichtigsten Architekten Erwin von Steinbach. Der imposante Bau gilt als ein Höhepunkt der Gotik im Besonderen und der Europäischen Architektur im Allgemeinen. An dem Münster wurde zwischen 1176 und 1439 gebaut. Ende letzter Woche begannen in Straßburg die Dreharbeiten zu einem neuen Film über die Kathedrale und ihre Erbauer. Das ehrgeizige Projekt wurde von „arte“ in Auftrag gegeben und zwar in 3D.
Auf Einladung der „Medien-und Filmgesellschaft Baden-Württemberg“ und „arte“ zu den Dreharbeiten von „Die Baumeister der Kathedrale“ in einem Seitenflügel des Straßburger Münsters: Unter der Regie des versierten französischen Dokumentarfilm-Regisseurs Marc Jampolsky entsteht hier ein dokumentarisches Fernsehspiel – Doku-Fiction genannt – über den Bau der Kathedrale.
Dabei wird zum ersten Mal für dieses Genre die digitale 3D-Technik benutzt. Der technische Aufwand ist immens. Zum Aufnahme-Team gehört u. a. ein Spezialist mit der neuen Berufsbezeichnung „Stereograf“, der bereits während des Drehs dafür sorgt, das die dreidimensionalen Bildinhalte stimmen. Er sitzt vor riesigen Monitoren im Hintergrund. Ihm arbeitet ein Assistent zu, der bei den unmittelbaren Aufnahmen Kontraste und Tiefenschärfe der Bilder manuell korrigiert. „Die Baumeister der Kathedrale“ ist eine internationale Koproduktion, die im Auftrag von „arte“ hergestellt wird. Von deutscher Seite gehören Arek Gielnik und seine Stuttgarter „Indi-Film“ zu den Produzenten.
Zu den Problemen von 3D gehört, dass Unschärfen und andere Artefakte später bei der Postproduktion nicht mehr korrigiert werden können. Das macht die Dreharbeiten zu einer noch penibleren Angelegenheit als bei der konventionellen Aufnahmetechnik und entsprechend teuer. „Die Baumeister der Kathedrale“ ist natürlich nicht der erste Film über das Straßburger Münster und seine spannende Baugeschichte. Zum ersten Mal wird man die Architektur aber dank der neuen Filmtechnik so plastisch wie nie zu vor auf dem Bildschirm erleben. Eine aufregende Sache!
Das finden auch die Programm-Verantwortlichen von „arte“. Als erster öffentlich-rechtlicher Fernsehsender baut „arte“ seit zwei Jahren sein Engagement in Sachen 3D kontinuierlich aus. Er ist nicht nur Koproduzent von Wim Wenders vielfach ausgezeichnten stereoskopisch gedrehten Tanzfilm „Pina“, sondern hat vor drei Wochen einen ganzen Tag in 3D gesendet.
Da zeigten sich die Möglichkeiten – und die Grenzen der gegenwärtig zur Verfügung stehenden 3D-Technik. „arte“ gab im Zusammenhang mit dem Set-Besuch im Münster einen Einblick in die Erfahrungen mit den 3D-Sendungen. Ausgezeichnete Ergebnisse bei Konzert-und Theateraufzeichnungen. Weniger geglückt eine Reportage über die „Schönsten Küsten“ Frankreichs. Bei den Hubschrauber-Fahrten pixelt es noch gewaltig, Mensch und Tier sind von Shuttereffekten im wahrsten Sinne des Wortes „gezeichnet“. Aber das wird in absehbarer Zeit zu beheben sein.
Vor diesem Hintergrund ist die Verbindung von Dokumentar- und Spielfilm bei „Die Baumeister der Kathedrale“ ein besonders reizvolles Experiment, von dem sich alle Beteiligten weitere Erfahrungen mit den neuen digitalen Möglichkeiten der 3D-Technik bei reinen Fernsehproduktionen erhoffen. Andreas Schreitmüller, Spielfilm-Chef bei „arte“, sieht darin Chancen für eine Belebung des Fernsehspiels. Er verglich am Rande der Veranstaltung 3D als eine Innovation, die mit dem Ton-und Farbfilm vergleichbar ist.
„Die Baumeister der Kathedrale“ über das Straßburger Münsters wird Ende des Jahres auf „arte“ zu sehen sein. Nach Experten-Meinung werden Filme wie dieser allerdings für die nächsten Jahre Ausnahmen bleiben und erst dann zur Regel, wenn eine neue Generation von Fernsehgeräten zur Verfügung steht, die das Ansehen von 3D-Produktionen ohne Brille erlauben. „arte“ hat in weiser Voraussicht bereits jetzt ein Dutzend weiterer 3D-Produktionen in Auftrag gegeben.