Deutschland 2012
Regie: Hans-Christian Schmid
Mit Corinna Harfouch, Lars Eidinger, Sebastian Zimmler, Ernst Stötzler
Kinostart: Herbst 2012
Nach Christian Petzold ist Hans-Christian Schmid der zweite wichtige deutsche Regisseur, der seinen neuen Film auf der diesjährigen Berlinale präsentiert. Gestern Abend fand die Uraufführung von WAS BLEIBT statt – einer Koproduktion mit dem SWR. Schmid war schon mehrfach Gast bei den Berliner Filmfestspielen. Einer seiner bekanntesten Filme ist „Requiem“ aus dem Jahr 2006. Auch sein jüngster Film wurde nach der Premiere kontrovers diskutiert. Kompromisslos bleibt der Regisseur seinem Stil treu, die seine Filme so unverwechselbar machen. Nach dem politisch wichtigen, aber insgesamt unpersönlichen „Sturm“ ist Schmid mit „Was bleibt“ wieder ganz „bei sich“.
Es hat schon seinen Grund, warum das vermögende Verleger-Ehepaar Günter (Ernst Stötzner) und Gitte Heidtmann (Corinna Harfouch) ihre erwachsenen Söhne (Lars Eidinger und Sebastian Zimmler) mit ihren Frauen ins schicke Elternhaus eingeladen haben. Die Jungs Mitte 30 sind etwas Anständiges geworden: der eine ist Zahnarzt, der andere Schriftsteller.
Der Kontakt zu den Eltern hat in den letzten Jahren nachgelassen. Jeder hat genug mit sich selbst zu tun und geht seiner Wege. Vater Günter überrascht bei dem kleinen Familientreffen, dass er dabei ist, seinen Verlag zu verkaufen. Bisher sein Lebensinhalt. Er möchte sich fortan selbst der Schriftstellerei widmen.
Gattin Gitte kann kurz darauf bei Tisch ebenfalls mit einer Neuigkeit aufwarten. Sie hat vor zwei Monaten ihre Antidepressiva abgesetzt und es geschafft, ohne auszukommen. Keiner hat bisher etwas bemerkt…
Jetzt steht der Schreck der Familienrunde aber ins Gesicht geschrieben. Ein Stein wurde ins Rollen gebracht: Im weiteren Verlauf des Wochenendes zeigt sich schlagartig, dass vom Vertrauensverhältnis, das vielleicht in der Familien einmal bestanden aben mag, nicht mehr viel übrig ist. Auch nicht zwischen dem Elternehepaar.
Grenzüberschreitungen, der Verlust von Selbstachtung bis zur schieren Verzweiflung, Angst vor Verantwortung: das sind die Themen mit denen sich Hans-Christian Schmid und sein ständiger Drehbuchautor Bernd Lange in ihren Filmen beschäftigen. Auch in „Was bleibt“.
Der Film zeichnet das Bild einer Generation, die nicht mehr Papa und Mama sagt, sondern die Eltern mit den Vornamen anredet. Was nach Befreiung klingt, ist in Wirklichkeit eine ambivalente Sache. Signalisiert mehr Verlust als Gewinn. Man verschanzt sich hinter Mauern. Der Einfachheit halber wird lieber sagt, mir geht es gut, alles ist Bestens. Vor allem dann, wenn es nicht annähernd stimmt: Jakobs Zahnarztpraxis läuft nicht so, wie behauptet, Marko ist dabei, sich von seiner Frau zu trennen.
Das Aufbrechen der „Kokons“ beschreiben Schmid und Lange in ihrem brillanten Film, der kein Pardon kennt und der auf eine raffinierte Schluss-Pointe zusteuert; die es dem Zuschauer überlässt, zu entscheiden, was denn nun bleibt.
Eines bleibt bei diesem Film auf jeden Fall im Gedächtnis: die Besetzung der Hauptrollen mit einigen der besten deutschen Theaterschauspieler der Gegenwart: Corinna Harfouch, Picco von Groote, Lars Eidinger, Sebastian Zimmer und Ernst Stötzner. Sie bürgen allein schon für Qualität! Bei der Bären-Vergabe der Berlinale dürfte „Was bleibt“ nicht leer ausgehen.