Polen 2011
Regie: Greg Zglinski
Mit Robert Wieckiewicz, Lukasz Simlat
UA: 28. Warsaw Film Festival 2011 (Preis der Ökumenischen Jury)
Der polnisch-schweizer Regisseur Greg Zglinski fiel zum ersten Mal 2004 mit „Tout un hiver sans feu/Kein Feuer im Winter“ auf, für den er mit dem Schweizer Filmpreis ausgezeichnet wurde. Die behutsam analythische Beschreibung der Trauerarbeit von Eltern, die ihr Kind durch ein Unglück verloren haben. Auf Grund von Unachtsamkeit. Ein schrecklicher Zufall. Bereits hier erwies sich Zglinski als Meisterschüler von Krzysztof Kieselowski, bei dem er studiert hat. Ohne das Vorbild zu kopieren, ist Zglinski bei seinem ersten in Polen realisierten Film noch ein Stück weiter gegangen: In „Courage“ geht es direkt um einen kleinen Moment des Zauderns aus Mißgunst, die zufällige Verkettung verhängnisvoller Momente, aus der eine Katastrophe erwächst.
Die Solothurner Festival-Chefin Seraina Rohrer hat „Courage“ heute im Rahmen der Nominierten für den „Prix de Soleure“ vorgestellt – als Schweizer Premiere. Auch in Deutschland war der tief beeindruckende Film bisher nicht zu sehen – was schleunigst nachgeholt werden sollte. Hier wäre ein Meisterwerk, das auch Potential in der ambitionierten Arthaus-Szene hätte.
Bisher hat Fred (Robert Wieckiewicz) das väterliche Kabel-TV-Unter-nehmen allein geführt. Nicht sonderlich engagiert. Jetzt ist sein Bruder Jurek (Lukasz Simlat) nach dem Tod seiner Frau aus den USA zurück in die Heimat nach Polen gekommen.
Zwischen den Brüdern schwelt die Rivalität; ungeniert demonstriert der hemdsärmelige Fred gegenüber dem seriösen Jurek seinen Heimvorteil. Auf dem Weg in die Stadt zu einem amtlichen Termin, gibt Freds Sportwagen den Geist auf. In letzter Minute erreichen die Beiden die Vorortsbahn.
Da werden sie Zeuge, wie eine Gruppe Rowdies eine junge Frau belästigt. Während Fred tatenlos zusieht, versucht Jurek dem Treiben ein Ende zu machen. Wird aber zusammen geschlagen und aus dem fahrenden Zug geworfen. Der Schwerverletzte kommt in ein Krankenhaus, Fred versucht seine Tatenlosigkeit vor der Familie und den Angstellten zu kaschieren.
Dann taucht im Internet eine Video auf, das von einem der Täter mit dem Handy aufgenommen wurde. Die zeigt nicht nur die ganze Brutalität des Vorfalls, sondern auch Fred, der nur zusieht. Zglinski erzählt seine Geschichte mit Anklängen an die alttestamen-tarische Fabel von Kain und Abel.
Dabei lässt der hochbegabte Filmemacher eine moralische Wertung erst einmal bei Seite: er zeigt die Auswirkungen eines Momentes der Schwäche. Fred versucht zwar zu sühnen, in dem er die Täter ihrer Bestrafung zu führt. Aber der Bruder stirbt. Niemand versucht auch nur ansatzweise, Fred in seinem Leid beizustehen, der an seiner Schuld zu zerbrechen droht. Erbarmen scheint es für ihn nicht zu geben…
In der Theorie würde natürlich jeder, gewaltätigen Burschen in den Arm fallen – in der Praxis gehen dann doch die Meisten schnell vorbei.Solidarisches Handeln gegenüber der Gewalt kommt selten vor. Damals als Juden durch deutschte Städte zu ihrer Ermordung getrieben wurden nicht und heute nicht, wenn Migranten verprügelt werden.
Doch so einfach macht es sich „Courage“ nicht. Vielmehr handelt er auch von der Courage, sich die eigene Schwäche einzugestehen. Wenn das so ohne weiteres gelänge, wäre Vieles viel einfacher und man käme dem Frieden näher…