Deutschland 2011
Regie: Matthias Bittner
Uraufführung: 5. August 2011
(Filmfestspiele Locarno „Semaine de la critique“)
„NIMB – Not in my backyard“ ist in Nordamerika ein geflügeltes Wort, wenn man etwas nicht in seiner Nähe haben möchte. Sei es ein Windkraftwerk, eine Überlandleitung, ein Funksender oder ein aus der Haft entlassener Sexualstraftäter. Über sogenannte „Sex offender“ und den rigorosen Umgang mit ihnen in den USA hat der Ludwigsburger Filmstudent Matthias Bittner seinen Dokumentarfilm „Not in my backyard“ gedreht, der heute Morgen im Rahmen der gegenwärtig stattfindenden Filmfestspiele von Locarno uraufgeführt wurde.
Teofilo ist ein Latinoamerikaner mittleren Alters. Er lebt in Miami auf der Straße, d. h. in einem städtischen Parkhaus. Nicht weil er Obdachloser leben wollte, sondern weil er muss. Als verurteilter „Sex Offender“ – also Sexualstraftäter – ist ihm jegliche Nähe zu Schulen, Kindergärten und Orten untersagt, an denen sich potentiell Kinder aufhalten können. Über GPS ortbare elektronische Fußfesseln wird er rund um die Uhr polizeilich überwacht. Mit seinem Dokumentarfilm „Not in my backyard“ hat sich der Ludwigsburger Filmstudent Matthias Bittner auf ein heikles Terrain gewagt. Allerdings nicht in Deutschland, sondern in den USA. Was hier zulande gerne gefordert wird, ist da bereits Realität. Konsequente Ausgrenzung von entsprechenden Delinquenten.
Ob damit weitere Verbrechen verhindert werden können, ist fraglich.
Die Politik der totalen gesellschaftlichen Ausgrenzung von Sexual-straftätern trifft auch Elliott. Er hat immerhin eine Wohnung. Allerdings wissen seine Nachbarn über sämtliche Details seiner Persönlichkeit und natürlich auch seines Vergehens Bescheid. Über das entsprechende Internet-Portal der Polizei. Das diente auch Matthias Bittner zur Vorbereitung seines Films.
Stockend sprechen Elliott und Teofilo auch über das, was sie getan haben vor Bittners Kamera. Der Regisseur fragt aus dem Off beharrlich nach…
Obwohl in „Not in my backyard“ alles zur Sprache kommt, wahrt Matthias Bittner die notwendige Distanz zu seinen Protagonisten und ist weit davon entfernt, den sexuellen Missbrauch von Kindern zu verharmlosen oder gar zu entschuldigen.
Er fand dafür einen präzisen filmischen Ausdruck, der über das nüchterne Reportieren hinaus geht und einen überzeugenden gesellschaftlichen Kontext herstellt – ohne das hier ein zusätzlicher Kommentar notwendig wäre. Auch formal eine reife Leistung!
In einer aufgeklärten, modernen Gesellschaft muss auch der Mensch, der ein Verbrechen begangen und dafür bestraft wurde, anschließend erwarten können, dass er mit Würde und Respekt behandelt wird. Alles andere ist ein Rückfall ins Mittelalter! Matthias Bittner drehte dazu mit „Not in my backyard“ einen wichtigen, in Form und Inhalt einzigartigen Film…der zu Recht nach Locarno ein-geladen wurde.