Deutschland/Portugal 2010
Regie: Hugo Vieira da Silva
Mit Kai Hillebrand,Ralph Herforth,Maria Schuster
Kinostart: 14. Juli 2011
Die Vereinsamung des Einzelnen in einer anonymen Großstadt-Gesellschaft ist ein zentrales Thema einer Gruppe jüngerer deutscher Regisseure, die als „Berliner Schule“ bekannt geworden sind. Weniger in der Bundesrepublik, in besonderem Maß aber in Frankreich, Spanien und Portugal. Hier werden Regisseure wie Christian Petzold, Angela Schanelec und Christoph Hochhäusler als stilbildende Erneuerer des filmischen Ausdrucks gefeiert. An ihnen hat sich der Portugiese Hugo Vieira da Silva orientiert, als er in Berlin seinen Film „Swans“ gedreht hat, der nach seiner Premiere bei den Berliner Filmfestspielen startete er diese Woche in den deutschen Kinos
Winter in Berlin. In der Gropius-Stadt wird es nie richtig hell. Die allgemeine Düsternis trifft Tarso (Ralph Herforth) und seinen halbwüchsigen Sohn Manuel (Kai Hillebrand) umso mehr, als sie sonst in Lissabon leben. Auch der Anlass ihrer Berlin-Visite ist alles andere als erfreulich: Tarsos geschiedene Frau Petra (Maria Schuster) und Manuels Mutter liegt im Wachkoma in einem Krankenhaus.
Es besteht kaum Hoffnung auf Besserung. Tarso fühlt sich an Petras Zustand mitschuldig, Manuel reagiert zunehmend verstört auf die totkranke Mutter, die er vorher nie kennen gelernt hat. Während Manuel mit seinem Skateboard in der Stadt unterwegs ist, versucht sich Tarso mit Fernsehen und Entspannungsübungen von der CD zu entspannen. Die beiden leben übrigens in Petras Wohnung, in der sie dann und wann einer seltsamen jungen Frau begegnen. Der Verhältnis zwischen Vater und Sohn wird zunehmend schwieriger. Tarso versucht vergeblich, mit seinem wortkargen Sohn ins Gespräch zu kommen….
Ihrer Sprachlosigkeit und der immer stärker werdenden Unsicherheit im Angesicht von Petras langsamen Sterben versuchen die Beiden durch halbherzigen Aktionismus zu begegnen. Ohne nennenswerten Erfolg.
„Swans“ hat der in Berlin lebende portugiesische Regisseur Hugo Vieira da Silva seinen Film genannt. Er schreibt dazu:
„Ich möchte seine Bedeutung für den Film nicht eindeutig definieren. Ich glaube, das jeder Zuschauer sicher eine eigene Beziehung zwischen dem Titel und der Geschichte finden wird, vielleicht nicht nur auf der symbolischen Ebene…“
Der Zuschauer ist also aufgefordert, sich emotional auf da Silvas Beschreibung der unterschiedlichen Trauerarbeit von Vater und Sohn einerseits und ihrer Entwurzelung in einer fremden Stadt einzulassen. Im Kern hat „Swans“ einen autobiographischen Hintergrund. Da Silva hat hier Koma und Tod einer Freundin aufgearbeitet.
Dafür lieferte ihm Kameramann Reinhold Vorschneider Bilder, die in ihrer kalkulierten Kälte an die „Berliner Schule“ erinnern. An die Filme von Benjamin Heisenberg, Angela Schanelec und Maria Speth, für die Vorschneider in der Vergangenheit vorzugsweise ge-arbeitet hat. Ihr Einfluss auf Hugo Vieira da Silva ist nicht zu übersehen. Wobei er die Sezierung der Seelenlandschaften bei seinen Vorbildern durch eine phantastische Dimension erweitert hat. Wer den besonderen Stil der „Berliner Schule“ und das filmische Experiment mit einem ernsten existentiellen Thema schätzt, der wird von da Silvas „Swans“ nicht enttäuscht sein.