USA 2010
Regie: Anton Corbijn
Mit George Clooney, Violente Placido, Thekla Reuten
Kinostart: 16. September 2010 (Tobis)
Er lässt sich Signor Farfalla nennen und lebt incognito in einer geräumigen Wohnung in einer malerischen Kleinstadt in den Abruzzen. Der unauffällige ältere Herr liebt wenig die Nähe anderer Menschen und mehr die Schmetterlinge. Er malt sie mit Hingabe. Daher sein Name. Signor Farlalla ist ein Schöngeist, sensibel und gebildet:
„Auf meine eigene, unauffällige Weise spiele auch ich eine Rolle auf der großen Bühne der Zeit. Ich errichte keine Türme, baue keine Denkmäler, und dennoch wird durch mich und meine Handlungen das Personal der Geschichte bestimmt.“
Natürlich ist „Farfalla“ nicht sein richtiger Name und er kein Italiener. Vielmehr ein Weltbürger, gebürtig aus England: „Ich bin lediglich ein Beobachter, jemand, der in der Kulisse des Lebens steht und das Schauspiel verfolgt. Mein Platz ist von jeher der Soufleurstuhl gewesen: Ich flüstere den Text und die Handlung nimmt ihren Lauf.“
Das ist untertrieben, im Laufe seines Lebens hat Farfalla immer wieder Schicksal gespielt. Auch am Vorabend zum Ruhestand in italienischem Ambiente:
„Mein Job ist, den Tod als Geschenk zu verpacken. Ich bin der Hand-lungsreisende des Todes, der Vermittler, der den Tod ebenso leicht ins Dasein rufen kann, wie ein Jahrmarktsmagier eine Taube aus dem Taschentuch zaubert!“
Kurz: Farfalla hat eine Karriere als Berufskiller hinter sich. Jetzt im Alter baut er für solvente Kollegen Präzisionswaffen: „Ich bin kein Hitler, kein Stalin, kein Churchill, kein Johnson oder Nixon, kein Mao Zedong. Ich bin kein Christus, kein Mohammed. Ich bin der Verborgene, der die Veränderungen ermöglicht, die Mittel zum Zweck liefert.“
Und das auf hohem Niveau. Ein Profi, der dafür in jeder Beziehung Sorge dafür trägt, dass der Tod keine schmutzige Angelegenheit wird: „Ich befürworte den professionellen Mord. Er ist die beste Todesart. Der Tod sollte edel, sauber, eindeutig, exakt, spezifisch sein. Er ist der letzte Pinselstrich auf der Leinwand des Lebens, der abschließende Tupfen Farbe, der das Bild vollendet, es zur Vollkommenheit abrundet.“
Deshalb verachtet Signor Farfalla, Jäger, die mit ihrem Hobby „eine in die Länge gezogene Reise der Barbarei in die Obszönität, in ein aller Würde beraubtes Verrecken“ betreiben.
Sie werden nur noch von Schmetterlingssammlern an Widerwärtigkeit übertroffen: „Es kann unmöglich Freude bereiten, solch ein Meisterstück der Evolution zu fangen, es mit Chloroform zu ersticken oder ihm den Thorax zu quetschen, bis es tot ist, es auf einer Korkplatte zu fixieren, bis die Leichenstarre eingetreten ist, und es dann, vom Tod schockgefroren, an die Rückwand eines Glaskastens zu spießen, der anschließend mit einem dunklen Tuch verhängt wird, damit das Tageslicht die Farben nicht verlassen lässt. In meinen Augen ist das der Gipfel des frivolen Irrsinns.“
Ein gefühlsmäßiger Ausrutscher, denn „Ich kann es mir bei meiner Lebensweise nicht leisten, emotional zu sein. Sobald Emotionen ins Spiel kommen, fängt es an riskant zu werden“.
Genau das passiert mit Signor Farfalla in Martin Booth‘ Roman „A very private gentleman“, der eben deutsch bei rororo unter dem Filmtitel „The American“ erschienen ist. Ein fulminantes Buch – geschrieben in der Tradition Raymond Chandlers oder Dashiell Hammetts. Eine Entdeckung! Wie es dem Autor gelingt, ganz ruhig und verhalten das Wesen des kultivierten Killers aufzublättern sucht seinesgleichen.
Der englische Autor starb 2004 im Alter von 60 Jahren: obwohl er ein voluminöses Oevre hinterlassen hat, muss er hierzulande erst noch entdeckt werden! Der in der ersten Person eines alten Mannes geschriebene „Private Gentleman“ entzieht sich durch seine literarische Raffinesse einer konventionellen Verfilmung.
Nachdem der niederländische Fotograf Anton Corbijn mit seinem Regie-Debut „Control“ (2007) einen besonderen cineastischen Blick bewiesen hat, durfte man auf eine angemessene filmische Umsetzung von Martin Booth Roman hoffen.
Umso größer die Enttäuschung! Wie der Titel sagt, wurde aus Signore Farfalla ein Amerikaner mit dem Namen Jack und aus der Geschichte selbst eine Art Westentaschen-James Bond in den Abruzzen und melodramatischem Ausgang. In den steilen Gässchen lässt sich prima Räuber und Gendarm spielen. Per pedes und mit anderen Fortbewegungsmitteln. Die Filmgeschichte ist voll davon. Verhängnisvoll auch die Besetzung der Hauptrolle mit George Clooney, der lediglich matt – wenn er nicht gerade rennt – das schauspielerische Vokabular zu kultivieren versucht, das er bereits in Soderbergs „Ocean“- Filmen zu Tode chargiert hat. Merkwürdig: Clooney ist einer der Produzenten dieses Werks.
Schade, um den außergewöhnlichen Stoff. Die hilflosen Anleihen Anton Corbijns bei italienischen und französischen Gangstermelodramen von Melville bis Rosi machen das Ganze auch nicht besser. Ebenso wenig wie Herbert Grönemeyers raunender Ausflug in die Filmmusik.
Zu loben ist allerdings der im Schirmer/Mosel Verlag erschienene Bildband „Inside the American“ von Anton Corbijn. Da zeigt sich der Meister der Fotografie und des Buch-Designs von seiner besten Seite. Man liest im Textteil mit Erstaunen, was sich Corbijn bei seinem Film alles gedacht hat und von dem man leider auf der Leinwand dann so wenig wiederfindet:
Also Martin Booth Roman lesen und zwischendurch in seinem Coffee table book blättern. Das Eine kostet € 9.95, das Andere € 49.80. Das ist zwar beträchtlich mehr als eine Kinokarte, lohnt sich aber und erspart den enttäuschenden Weg ins Lichtspielhaus… Da genügt der Trailer: