Am letzten Samstag gingen die diesjährigen Filmfestspiele von Locarno zu Ende. Ganz gegen die Gewohnheit der letzten Jahre waren die Reaktionen auf das diesjährige Sommerfilmfestival am Largo Maggiore im Tenor positiv. Der neue künstlerische Leiter Olivier Pére hat seine erste Nagelprobe bestanden. Auch an der Preisverteilung am Ende gab es nichts zu mäkeln:
Der Pardo d’oro, der „Goldene Leopard 2010“ ging an den chinesischen Film Han Jia (Winter Vacation) von LI Hongqi. Der Film wurde letztes Jahr als Projekt im Koproduktionsworkshop Open Doors des Festivals präsentiert.
Das 63. Festival schloss mit einer Gesamtzahl von 148 436 Zuschauern (gegenüber 157 057 im Jahr 2009). Der leichte Rückgang ist in erster Linie den Eintrittszahlen auf der Piazza Grande zuzuschreiben, die unter vier Abenden mit Regen und Kälte zu leiden hatte: 52 300 Zuschauer (bei 58 100 im Jahr 2009). Demgegenüber genoss die diesjährige Festivalausgabe beachtliche Besucherzahlen in den Sälen, die trotz der wesentlich geringeren Anzahl gezeigter Filme (280 Titel gegenüber 397 im Jahr 2009) sowie einem Kinosaal weniger (Cinema Otello) stabil geblieben ist: 96 136 (2009: 98 957). Schliesslich zog das Festival auch dieses Jahr eine grosse Anzahl von Professionals an: 3 852 Akkreditierte (darunter 900 «Industry»-Akkreditierte) sowie 875 Medienvertreter aus der ganzen Welt besuchten das Festival.
Das Programm des 63. Festival del film Locarno zeichnete sich insbesondere durch eine Verjüngung der Filmschaffenden und Schauspieler aus – von den Mitgliedern der verschiedenen Jurys bis hin zu den Autoren und Protagonisten der ausgewählten Filme, darunter 22 Erstlingswerke. Die Piazza Grande erlebte auch dieses Jahr Augenblicke voller Emotionen in Anwesenheit verschiedener Ehrengäste des Festivals: darunter die Filmemacher JIA Zhang-ke und Alain Tanner (beide mit dem Pardo d’onore 2010 ausgezeichnet) sowie der Regisseur Francesco Rosi, der den Pardo alla carriera (Pardo für sein Lebenswerk) erhielt – ausserdem der Produzent Menahem Golan (Premio Raimondo Rezzonico für den besten Independent-Produzenten) und die Schauspielerin Chiara Mastroianni (Excellence Award) sowie der Schauspieler John C. Reilly.
Mit einer Retrospektive sämtlicher Filme von Ernst Lubitsch ist Pére ein weiterer Glückgriff gelungen. Voll waren auch die Säle der Kurzfilm-Programmreihe Pardi di domani, die ihr 20 jähriges Bestehen feierte. Erfolgreich waren ausserdem sowohl die neu eingeführten «Industry Days» (Filmvorführungen ausschliesslich für Vertreter der Filmindustrie während drei Tagen) als auch die Locarno Summer Academy – ein neues Ausbildungsangebot, das sich an Studierende und angehende Professionals des Films richtet.