Der Regisseur Josef von Sternberg und Marlene Dietrich waren das künstlerische Traumpaar Hollywoods der frühen 1930er Jahre. Bei seinem Gastspiel in Deutschland 1929 hat er sie mit der Rolle der Lola in „Der Blaue Engel“ zum Weltstar gemacht und anschließend mit nach Amerika genommen. Fünf Jahre und einem halben Dutzend gemein-samer Filme später haben sich die beiden getrennt. Sternberg/Dietrich-Filme sind in Deutschland auf DVD rar. Vom „Blauen Engel“ einmal abgesehen. Eine Lücke schließt da: „Marlene Dietrich: Diva Highlights“ von „Black Hill“ mit „Dishonored/Entehrt“ und „The devil is a woman/Der Teufel ist eine Frau“. Als dritten Film enthält die Edition „Angel/Engel“ von Ernst Lubitsch. Ebenfalls wichtig, aber wohl dem lizenzrechtlich Zufall folgend in die Box geraten.
“Dishonored” gehört zu den unbekannteren Filmen Josef von Sternbergs, in dem Marlene Dietrich die Hauptrolle spielt. Er entstand unmittelbar nach „Morocco“, ihrem ersten Film in Hollywood. Die Edition präsentiert den extrem selten gezeigten „Dishonored“ als DVD-Premiere. Der Film ist eine bittersüße Reminiszenz von Sternberg an sein Heimatland Österreich bzw. die K- und K-Monarchie auf dem Weg in den Untergang. 1916: noch spielt und tanzt man in der feinen Wiener Gesellschaft Walzer. Doch die Schatten der Veränderung warten bereits an der Schwelle. So wie Marie, die schöne Offizierswitwe, der nichts weiter ge-blieben ist, als ihren Körper zu verkaufen
Ein Leben mit allen Annehmlichkeiten verspricht ihr eines dunklen regnerischen Abends ein Herr vom Geheimdienst, der auf Marie aufmerksam geworden ist. Ihre Wirkung auf Männer will er ausnutzen. Probeweise lässt sie sich anwerben: einen Spion für die Russen gilt es zu überführen. Marie leistet gute Arbeit, der Verräter bringt sich um.
Jetzt soll sie als „Agentin X 27“ ihre Kunst der Verführung bei einem schwierigeren Fall einsetzen. Der russische Top-Agent ist nicht nur ein Profi, sondern verfügt seinerseits über beträchtlichen Sexappeal. Der zeigt auch bei Marie Wirkung: Sie verliebt sich in den Feind und wird seine Komplizin. Da Liebe in Zeiten der Finsternis ein Sakrileg ist, kommt sie vor ein österreichisches Kriegsgericht und zum Tode verurteilt.
Über den Titel „Dishonored“ hat sich von Sternberg noch im Alter in seiner Autobiographie mokiert: „Meinen Protest, die Dame werde nicht entehrt, sondern füsiliert, ließ die Produktion unbeachtet“.
Zeitgleich zu Greta Garbos „Mata Hari“, verkörperte Marlene Dietrich hinreißend schön ebenfalls eine Spionin, der ihre Gefühle einen Strich durch die Rechnung machen. Josef von Sternberg zelebriert seinen Star in einem in einem Labyrinth aus Hell und Dunkel, Licht und viel Schatten.
„Dishonored“ ist ein gefährlich glänzendes Melodram. Nach „Der Blaue Engel“ und „Morocco“ der erste Sternberg-Film, in dem Marlene im Übrigen nicht singt. Die „Diva–Highlight-Box“ enthält das filmgeschicht-liche Kleinod in einer exzellent restaurierten Fassung, bei der Sternbergs dramaturgische Raffinessen uneingeschränkt zur Geltung kommen und von Marlene Dietrichs einzigartigem Timbre keine Nuance verloren geht.
Den Rang einer Ikone des amerikanischen Films der 1930er Jahre hat „The Devil is a woman“ von 1935. Die siebte und letzte Zusammenarbeit zwischen Josef von Sternberg und Marlene Dietrich. Die neue DVD-Edition enthält den Film in einer ebenfalls technisch vorzüglichen Fassung, wie es sich für eines der ganz großen Meisterwerke der Filmgeschichte gehört. Höhepunkt der Dietrich in ihrer Karriere als Männer zer- und verstörender Vamp. Das Drehbuch verfasste der Schriftsteller John Dos Passos nach dem französischen Kolportage-Roman „Das Weib und der Hampelmann“ von Pierre Louys, der später auch Luis Bunuel als Vorlage für sein „Obskures Objekt der Begierde“ diente:
Karneval in Spanien. Im Mittelpunkt der männlichen Aufmerksamkeit steht die Tänzerin Concha Perez, eine Dame ganz in Schwarz mit zweifelhaftem Ruf. Wie einst Carmen hat sie als Arbeiterin in einer Zigarettenfabrik angefangen, um sich dann mit männlicher Hilfe aus dem Elend zu befreien.
Auch Concha spielt mit den Gefühlen der Männer. Das führt für die Betroffenen von einer persönlichen Katastrophe in die Nächste. Doch ihre scheinbar kalte Berechnung ist nur Fassade. Dahin verbirgt sich eine zutiefst verletzte Seele, die an einer besitz ergreifenden Männergesell-schaft und der eigenen Ambivalenz leidet.
Bei “The devil is a woman” setzte Josef von Sternberg noch einmal sein ganzes Können ein, um ein perfektes Melodram zu schaffen und seinem Star Marlene Dietrich eine nahezu überirdische Aura zu verleihen. Er war auch für die Kamera verantwortlich.
Angesichts dieses makellosen Films war wohl allen Beteiligten klar, das man an einem Punkt angekommen war, an dem es nicht weiter gehen konnte. D. h. ein Rückschritt die unvermeidliche Folge einer weiteren Zu-sammenarbeit gewesen wäre. Während Josef von Sternberg ohne Marlene Dietrich nie wieder das Niveau der gemeinsamen Filme erreichen sollte, gelang Marlene Dietrich ein kluger Image-Wandel. Sie suchte und fand neue Ufer, ohne das ihre Karriere dabei Schaden genommen hätte.
Anschauungsunterricht von Marlene Dietrichs Wandlung der Femme fatale Concha Perez in „The devil is a woman“ bei Josef von Sternberg zu einem neuen Rollenfach bietet die Edition am Beispiel von „Angel“, den sie 1937 unter der Regie von Ernst Lubitsch drehte. Hier ist sie die elegante Gattin eines reichen, aber langweiligen englischen Geschäftsmannes.
Zur Abwechslung leistet sich Maria Barker gelegentlich einen Trip nach Paris. Hier führt eine alte Freundin einen Edel-Salon, in dem man nette Bekanntschaften machen kann. Lady Barker lernt hier zufällig einen enorm charmanten Herrn kennen. Man kommt sich näher. Doch dann wird es Maria zu nah und sie lässt ihren Lover im Stich. Zu Hause geht das langweilige Leben weiter. Bis ein Kriegskamerad von Mr. Barker zu Besuch kommt. Wie es der Zufall will, handelt es sich dabei um Mrs. Barkers Pariser Bekanntschaft. Die beiden lassen sich natürlich nichts anmerken.
„Angel“ ist einer der hinreißendsten Beispiele für die Kunst des Regisseurs Ernst Lubitsch, mit seinen vielsagenden Auslassungen und eleganten Dialogen. Man merkt Marlene Dietrich und ihren Partnern Herbert Marshall und Melvyn Douglas an, welchen Spaß sie selber an der Arbeit an diesem zeitlos schönen Film hatten.
Drei filmische Kostbarkeiten neu auf DVD: „Entehrt“, „Der Teufel ist eine Frau“ und „Engel“ – zusammen in der Edition „Marlene Dietrich – Diva Highlights“. Erschienen bei „Black Hill Pictures“ zum Preis von 32 Euro.