Deutschland 2010
Regie/Buch: Michael Stock
Kinostart: 27. Mai 2010
- Michael Stock (Bilder: Salzgeber)
1993 hat Michael Stock mit „Prinz in Hölleland“ Aufsehen erregt. Ein dokumentarischer Spielfilm, in dem der Regisseur autobiographisch das Leben am Rande der Gesellschaft beschrieben hat. Ein Leben, das aus Drogenexzessen, schnellem Sex und Gewalt besteht. Unübersehbar hatte sich hier ein Getriebener, zutiefst verletzter Mensch sein persönliches Leid von der Seele gefilmt. Danach war von Michael Stock nur noch wenig zu sehen. Jetzt präsentiert er seinen Dokumentarfilm „Postcard to Daddy“. Dabei geht es um die Nachwirkungen des jahrelangen sexuellen Missbrauch, den Michael Stock während seiner gesamten Pubertät von seinem Vater erleiden musste.Am Anfang war es nur Rückenkraulen, doch dann wollte Papa mehr von seinem Sohn: zwischen dem achten und 16. Lebensjahr wurde Michael Stock von seinem Vater regelmäßig sexuell missbraucht. Dann floh der Sohn aus der vordergründigen Schwarzwald-Idylle nach Berlin in die Subkultur
Verkraftet hat Michael Stock das Trauma bis heute nicht: sein Film „Postcard to Daddy“ ist ein Versuch des inzwischen 42jährigen über die filmische Selbsttherapie damit fertig zu werden: nach einer Drogenkarriere, einem Schlaganfall ist Stock inzwischen HIV-Positiv nur noch ein Schatten seiner selbst:
In seiner filmischen Spurensuche kommt auch Stock Schwester zu Wort, die den Kontakt mit dem Vater abgebrochen hat, nachdem sie vom Missbrauch Michaels erfuhr. Losen Kontakt hält trotz allem sein Bruder Christian zum Vater.
„Meine Mutter hat seit dem Tag, als ich mich ihr mit Anfang 19 anver-traute, eine zentrale Rolle in der Aufarbeitung dieses Familiendramas gespielt“, betont Michael Stock. Im Mittelpunkt seines Films steht eine gemeinsame Reise von Mutter und Sohn nach Thailand, um aus der Distanz Trauerarbeit zu leisten.
Schließlich nahm Stock nach jahrelangem Schweigen Kontakt zum Vater auf. Der lebt seit Jahren von der Familie getrennt. Die Aussprache zwischen Sohn und Vater gehört zu den stärksten, aber auch verstörendsten Momenten von „Postcard to Daddy“. Dabei kann sich der Vater wenigstens dazu durchringen, seinem Sohn zu sagen, es tue ihm leid…
Mit einer forciert nüchternen Beschreibung seines Schicksals hat es Michael Stock vermieden, dass sein Film zur Selbstentblößung vor laufender Kamera geraten ist. Vielmehr dokumentiert „Postcard to Daddy“ exemplarisch wie sexueller Missbrauch von Kindern nicht nur die Betroffenen selbst, sondern die Gesamtfamilie in den seelischen Ruin treibt.
Michael Stock ist damit jetzt mit den Möglichkeit des Filmemachers an die Öffentlichkeit gegangen. Er macht damit auch anderen Opfern sexuellen Missbrauchs Mut, sich ihrem Trauma zu stellen – den Film selbst zu einem einzigartigen Dokument!
SWR2 Journal am Morgen am 27. Mai 2010:
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