Mit einem halben Dutzend Filme ist Deutschland auf den diesjährigen Berliner Filmfestspielen so stark vertreten wie noch nie. Dabei geht in den meisten um die Existenz, das Gute und das Böse. Besonders interessant in dieser Beziehung „Stereo“ mit Jürgen Vogel und Moritz Bleibtreu, der gestern Abend Premiere hatte. Regie: Maximilian Erlenwein („Schwerkraft“)
Erik ist 40 und dabei, sich von seinen wilden Rocker-Jahren zu verabschieden. Daran erinnern nur noch seine provokanten Tatoos und seine Leidenschaft fürs flotte Motoradfahren. Er hat auf dem Land eine Motorrad-Reparaturwerkstatt eröffnet und in Julia eine gut bürgerliche Freundin gefunden, mit einem Polizisten als Vater.
Alles könnte in bester Ordnung sein, dem Start in einen neuen Lebens-abschnitt nichts mehr im Weg stehen. Aber Erik geht es nur äußerlich gut. Sein Seelenleben ist ziemlich durcheinander. Deshalb sucht er ärztlichen Rat. Alles deutet auf eine sich anbahnende Psychose hin…
Der Ungeist, der ihn verfolgt, hat einen Namen: heißt Henri und kommt Erik immer näher. Flüsternd und Unerfreuliches raunend im Kapuzenparka.
Maximilian Erlenwein beginnt seinen Film „Stereo“ wie eine Krankengeschichte aus der Psychiatrie. Doch dann wird daraus etwas ganz Anderes. Es geht um den grundsätzlichen Kampf zwischen Gut und Böse, also den „zwei Seelen“ in unserer Brust.
In Henri personifiziert sich als die dunkle Seite von Eriks Charakter. Auch ein Schatten der Vergangenheit, der sich nicht einfach beiseiteschieben lässt. Das Eine muss sich dem Anderen stellen. Der Zuschauer stellt sich angesichts dessen die Frage, wie Erlenwein wohl die Kurve zum akzeptablen Schluss bekommt. Ebenso wie sein Erik nicht vom Bike fällt, schafft es der Regisseur mit Anstand.
Dabei kann er sich auf seinen Kameramann Ngo The Chau verlassen. Der „Lola“-Preisträger zaubert einmal mehr ganz erstaunliche Bilder, wie sie in deutschen Filmen nur selten zu sehen sind!
Dem Inhalt nach gehört „Stereo“ in die Reihe der interessanten neuen Auseinander-setzungen deutscher Filmemacher mit existentiellen Grundsatzfragen. Und das mit den Elementen eines rasanten Actionfilms und gewohnt guten Schauspielern wie Jürgen Vogel (Erik), Moritz Bleibtreu (Henri) und Petra Schmidt-Schaller (Julia). Ein Film, der sich auch im Programm der Berlinale sehen lassen kann!
Interessanterweise ist in derselben Sektion („Panorama“) mit „That Damon within“ ein Film mit einem ganz ähnlichen Sujet im Programm: Das neue Werk der Hongkong-Ikone Dante Lam. Bei ihm ist es ein Polizist, den ein Kindheitstrauma zu einer schizoiden Persönlichkeit macht. Um Lams Perfektion zu erreichen, muss Erlenwein allerdings noch ein bisschen üben.
Wenn es dann soweit ist, kann er sich vielleicht auch ein derart bibliophiles Programm-Buch leisten, wie das zu „That Damon within“ und nicht mehr die mittlerweile üblichen lieblos fotokopierten Blätter. Sowas Edles gab es schon lange nicht mehr. In China hat man es halt. In der feinen „Golden Bear Lounge“ des chinesischen Juweliers und „Berlinale“-Sponsoren „Tesiro“ gibt’s schon zum Frühstück Champagner…