Deutschland/Österreich 2012
Regie: Marie Noelle & Peter Sehr
Mit Sabin Tambrea, Hannah Herzsprung, Edgar Selge, Justus von Dohnany, Tom Schilling
Kinostart: 26. Dezember 2012
Mit seiner Lust am Bau von Schlössern beeinflusste König Ludwig II. von Bayern nachhaltig die bayerische Tourimusbranche. Zu Lebzeiten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat er an den teuren unbenutzbaren Immobilien nur kurz und wenig Freude. Seine Leben zwischen Pflicht und Neigung, Homo-und Heterosexualität bietet reichlich Stoff fürs Kino. Deshalb nähert sich ihm von Zeit zu Zeit die Filmbranche. Nach Jahrzehnte langer Pause wagten sich Marie Noell und Peter Sehr an die tragische Figur. Sehr hat seit seinem „Kaspar Hauser“-Film von 1993 Gespür für historische Themen bewiesen. Seine Partnerin Marie Noelle war bisher vor allem im 20. Jahrhundert auf filmischer Spurensuche. Zum Beispiel mit „Birkenau & Rosenfeld“.
Der bayerische König Max II. hat wenig Freude an seinem ältesten Sohn Ludwig, der einmal sein Nachfolger werden soll. Der sensible Junge hat es weniger mit dem Militärischen und mehr mit den Musen – vor allem der Musik. Heftig schwärmt er für den neumodischen Richard Wagner, der in der Vergangenheit gegen die Monarchie agitiert hat. Ludwig selbst sieht sich ohnehin mehr als intellektueller Bürger und nicht als Regent in einer politisch und ökonomisch schwierigen Zeit. Überraschend stirbt Max II. im März 1864.Von einem Tag auf den nächsten muss der 18jährige Ludwig die Regierungsgeschäfte in München übernehmen.
Die tragische Karriere des Monarchen ist Geschichte ebenso seine Selbststilisierung zum „Märchenkönig“, der inMärchenschlössern ein immer mehr der Welt entrücktes Leben führte und ein Schloss nach dem nächsten bauen ließ. Womit er die bayerische Staatskasse an den Rand des finanziellen Bankrotts manövrierte.
Nach Helmut Käutner, Luchino Visconti und Hans-Jürgen Syberberg haben sich jetzt Peter Sehr und Marie Noelle der schillernden Persönlichkeit des Ludwig II. von Bayern angenommen. Sie hatten nicht die Tragödie eines gefallenen Engels wie Visconti im Sinn, auch keine Gartenlauben-Rührseligkeit wie Käutner bei seinem Ludwigsfilm aus den 1950er Jahren. Ebenso wenig eine Parabel über die deutsche Gemütsverfassung im 19. Jahrhundert, die Syberberg mit „Requiem auf einen jungfräulichen König“ episch inszenierte.
Betont sachlich, fast dokumentarisch hat sich Marie Noell zusammen mit ihrem Mann Peter Sehr Ludwigs II. angenähert. Da stimmt historisch jeder Hosenknopf! Bloss keine Experimente, scheint das Motto von Noell/Sehr gewesen zu sein. Das Ergebnis ist ein grundsolider Film, der bisweilen allerdings an den Schulfunk erinnert. Ein sensationeller Hauptdarsteller, der junge bisher unbekannte Schauspieler Sabin Tambrea verhindert, dass die Langeweile überhandnimmt. Ebenso Edgar Selge als Wagner. Tom Schilling nimmt es als Ludwigs Bruder Otto mit Klaus Kinsky auf, der diese Rolle im Käutner-Ludwig verkörperte. Schließlich spielt Hannah Herzsprung als Sissi beherzt gegen den langen Schatten Romy Schneiders an. Das sind Qualitäten, die den Besuch dieser neuen „Ludwig“-Filmbiographie dann doch lohnen.